Naturforscher – Heuschrecken

Gemeiner Grashüpfer

Beobachtungen im Herbst

Kennst Du eine Insektengruppe von der Du im Frühling und Frühsommer überhaupt nichts siehst, die Dir aber im Spätsommer und Herbst auf allen Wiesen vor den Füßen rumhopst? Und weißt Du, welche Insektengruppe schon im Mittelalter die Menschen zeitweise durch massenhaftes Auftreten in Angst und Schrecken versetzte, während heute viele Vertreter dieser Gruppe um ihr Überleben kämpfen?

Richtig  –  es sind die Heuschrecken!

Aber wieso kämpfen sie dann um‘s Überleben, wenn sie vor unseren Füßen rumhopsen? – Vielleicht hilft der Vergleich mit den Briefmarken. Es gibt die üblichen Markenserien, die auf fast jedem Brief kleben. Aber dann gibt es noch die ganz besonderen Marken, nach denen Du richtig suchen musst. So ähnlich ist es bei den Heuschrecken.

Der Gemeine Grashüpfer ist im Spätsommer auf fast jeder Wiese zu finden. Ihm ist es ziemlich egal, ob das Grünland feuchten oder trockenen Boden hat, ob viel oder gar nicht gedüngt wird und welche Pflanzen dort wachsen.

Auch die große  Zwitscherschrecke, die uns mit ihrem Gesang an warmen Spätsommerabenden die halbe Nacht unterhält, ist wenig anspruchsvoll. Wenn sie im Randbereich einer Wiese oder im Garten höhere Pflanzen oder ein paar Büsche zur Verfügung hat, ist sie aufgrund ihrer guten Tarnung zwar schwer zu entdecken, aber nicht zu überhören. Die meisten anderen Heuschreckenarten sind aber, was ihren Lebensraum anbetrifft, anspruchsvoller.

Bevor ich Euch in diesem Heft zwei seltene und gefährdete Heuschreckenarten vorstelle und erzähle, warum sie uns so wichtig sind, sollt Ihr noch etwas Allgemeines über die Heuschrecken erfahren.

Einteilung  und  Entwicklungszyklus  der  Heuschrecken

In Bayern haben wir 75 verschiedene Heuschreckenarten, wovon manche nur im Bereich der Alpen vorkommen. Etwa die Hälfte hat lange Fühler, wie die Zwitscherschrecke, sie gehören zur Gruppe der Langfühlerschrecken. Der andere Teil hat kurze Fühler, wie der Gemeine Grashüpfer und gehört zur Gruppe der Kurzfühlerschrecken.

Alle Heuschrecken legen Eier und die meisten überwintern auch im Eistadium. Im Frühsommer schlüpfen aus den Eiern kleine Larven, die sich beim Größerwerden mehrfach häuten müssen, bis sie voll entwickelte Heuschrecken sind. Manche Arten ernähren sich nur von Pflanzen, andere – besonders die Langfühlerschrecken – nehmen auch tierische Nahrung zu sich. Im Herbst erfolgt dann die Eiablage, bei vielen Arten in den Boden, andere heften ihre Eier an Pflanzen an.  Wenn dann die Nächte kalt werden, sterben die erwachsenen Tiere ab. Heuschrecken sind für viele Tiere ein leckeres Futter. Für viele Vögel, aber ganz besonders für die Störche, gehören sie zur Lieblingsspeise. Sie sind also ein wichtiges Glied in der Nahrungskette.

Warzenbeißer

Heuschreckenarten, die  hohe  Ansprüche  an  ihren  Lebensraum  stellen.

Bei den seltenen Arten will ich Euch auch eine Langfühlerschrecke und eine Kurzfühlerschrecke vorstellen. Die Langfühlerschrecke namens Warzenbeißer gehört bei uns zu den größten und dicksten ihrer Art und kann wirklich schmerzhaft zubeißen. Sie lebt auf Magerwiesen, denn was sie auf keinen Fall verträgt, ist irgendeine Form von Düngung. Eine zusätzliche Schwierigkeit besteht darin, dass Larven und erwachsene Tiere verschiedene Ansprüche haben. Besonders die kleinen Larven benötigen einen niedrigen Pflanzenbewuchs, damit die Sonne den Boden gut erwärmen kann.

Larve der Langfühlerschrecke

Die durch ihre Größe auffälligen erwachsenen Tiere wollen lieber einen höheren Pflanzenbewuchs, um sich gut vor ihren Feinden verstecken zu können. Der Lebensraum muss also verschiedene Strukturen aufweisen, damit es dem Warzenbeißer gut geht. Diese ganzen Bedingungen führen dazu, dass der Warzenbeißer in unserem Landkreis sehr selten und stark gefährdet ist.

Die Kleine  Goldschrecke  ist mit ihrer metallisch glänzenden, hellgrünen Färbung und den auffallend orange gefärbten Flügelstummeln der Weibchen eine kleine Schönheit unter den Kurzfühlerschrecken. Auch diese Heuschreckenart verträgt keine Düngung, ist also auf magere Lebensräume angewiesen. Ob es sich dabei um felsige, trockene Hangwiesen oder um feuchte Niedermoorwiesen handelt, ist ihr nicht so wichtig. Dafür benötigt sie für ihre Fortpflanzung Bereiche, in denen die Pflanzen nicht jedes Jahr abgemäht werden und sie höhere Gräser zur Eiablage findet. An diese Gräser heftet sie in 20 – 80 cm Höhe ihre kleinen Eipakete an und schützt sie durch eine aushärtende Schaummasse vor dem Austrocknen. Die Kleine Goldschrecke ist nicht ganz so anspruchsvoll und selten wie der Warzenbeißer, aber sie benötigt auch besonderen Schutz und Pflege ihrer Lebensräume.

Kleine Goldschrecke

Warum sind uns diese anspruchsvollen Arten so wichtig ?

Wenn wir vom Bund Naturschutz besondere Lebensräume kaufen, um die darauf lebenden seltenen Tiere und Pflanzen zu schützen, geht es uns in den meisten Fällen nicht um ein einzelnes Tier oder eine einzelne Pflanze, sondern um die ganze Lebensgemeinschaft. Wir wissen, wenn z.B. Warzenbeißer oder Kleine Goldschrecken in einem Lebensraum vorkommen, dann geht es noch etlichen anderen seltenen Tieren und Pflanzen dort auch gut. Welche das im Einzelnen sind, dafür braucht es Leute, die sich gut auskennen. Mit der Sicherung des Lebensraumes allein ist es aber nicht getan. Durch gezielte Pflegemaßnahmen bemühen wir uns dann, die Bedingungen für diese gefährdeten Arten zu erhalten oder zu verbessern.

Jedes Mitglied im Bund Naturschutz trägt durch den Mitgliedsbeitrag dazu bei, dass wir diese Aufgaben erfüllen können. Auch Eure Mitarbeit bei der Haus- und Straßensammlung ist ein wichtiger Beitrag. Wenn dann noch jemand Zeit und Freude daran hat, sich ehrenamtlich zu engagieren, ist das besonders toll.

Nun wünsche ich Euch und mir noch ein paar sonnige und warme Herbsttage mit interessanten Heuschreckenbeobachtungen.

Zwitscherschrecke